Reisekosten endlich einfach abrechnen
Der BGH hat am 09.05.2018 entschieden, dass die Reisekosten eine auswärtigen Anwalts bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks zu erstatten sind. Daher ist bei allen Mandaten mit Beteiligung von Anwälten außerhalb des Gerichtsbezirks die höchstmögliche Entfernung innerhalb des Bezirks zu ermitteln.
So funktioniert der Reisekostenrechner: Wählen Sie das für sie relevante Gericht aus, im Anschluss wird Ihnen der am weitesten entfernte Ort innerhalb des Gerichtsbezirks und die daraus resultierenden Fahrtkosten (2 x km x 0,42 €) angezeigt. Dies bildet die Grundlage für eine optimale Reisekostenerstattung.
Ermittlung der Reisekosten: Seit 2020 berechnen wir die Distanz zwischen Gericht und der entferntesten Stelle am Rand des Ortes im jeweiligen Gerichtsbezirk ermitteln, statt zur Ortsmitte wie bisher. Hiermit werden die Entfernungen bis in die „letzten Winkel“ der Gerichtsbezirke berechnet, was eine noch genauere Reisekostenabrechnung ermöglicht.
Die komplette Tabelle aller Gerichte und dem jeweils am weitesten entfernten Ort inklusive erstattungsfähigen Fahrtkosten als praktisches Nachschlagewerk von Herausgeber Norbert Schneider zum kostenlosen Download.
Gebühren- und Abrechnungsexperte RA Norbert Schneider ist Autor der Fachinfo-Tabelle Gerichtsbezirke 2020, Nachfolgeausgabe der Reisekostentabelle, und liefert auf gerichtsbezirke.de wertvolle Tipps und Hinweise für die optimale Reisekostenabrechnung.
Fakten zur Reisekostenerstattung
Beispielrechnung
1. Fahrtkosten Pkw, Abwesenheit bis vier Stunden mit Auslagen
1. Fahrtkosten PKW Adelberg – LG Ulm und zurück,
2 x 75 km x 0,42 €/km, Nr. 7003 VV = 63,00 €
2. Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV 30,00 €
3. Parkgebühren (netto) 3,00 €
Gesamt netto 96,00 €
Umsatzsteuer 14,25 €
Gesamt brutto 114,24 €
2. Fahrtkosten Pkw, Abwesenheit bis acht Stunden mit Auslagen
1. Fahrtkosten PKW Oberteuringen – OLG Karlsruhe und zurück,
2 x 259 km x 0,42 €/km, Nr. 7003 VV = 217,56 €
2. Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 2 VV 50,00 €
3. Parkgebühren (netto) 5,00 €
Gesamt netto 272,56 €
Umsatzsteuer 38,95 €
Gesamt brutto 324,35 €
Aktuelle Rechtslage
Bestellung eines Anwalts innerhalb des Gerichtsbezirks
Hat der Anwalt seine Kanzlei im Gerichtsbezirk, dann sind seine Reisekosten in voller Höhe erstattungsfähig, da nach der ZPO hinsichtlich der Auslagen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts eine Notwendigkeitsprüfung nicht stattfindet (§ 91 Abs. 2 S. 1, 1. Hs. ZPO). Die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind stets in vollem Umfang und ohne Notwendigkeitsprüfung zu erstatten (LG Gera AGS 2014, 251; LG Krefeld AGS 2014, 424; LG Bonn AGS 2016, 31).
Tage- und Abwesenheitsgeld
Der Anwalt muss im konkreten Fall selbst ermitteln, welche Zeit eine Reise für einen im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt vom weitest entfernten Ort einschließlich Terminswahrnehmung für Hin- und Rückreise an Zeitaufwand bedeutet hätte. So ist es z. B. möglich, dass der auswärtige Anwalt für Hin- und Rückreise einschließlich der Terminswahrnehmung mehr als vier Stunden unterwegs war, ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt jedoch weniger als vier Stunden benötigt hätte. In diesem Fall ist nur die geringere Pauschale in Höhe von 30,00 € (bis 31.12.2020: 25,00 €) zu erstatten bzw. von der Landeskasse zu übernehmen.
Reisekostenerstattung eines auswärtigen Anwalts
In der Regel ist es nicht notwendig, dass eine am Gerichtsort ansässige Partei einen Anwalt außerhalb des Gerichtbezirks beauftragt. Dies sollte nach einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung dazu führen, dass gar keine Reisekosten zu erstatten seien. Der BGH hat diese Auffassung jetzt ausdrücklich abgelehnt und folgt der bislang herrschenden Meinung. Wenn einerseits die Hinzuziehung des Anwalts mit Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks nicht notwendig ist, andererseits für die Reisekosten eines Anwalts im Gerichtsbezirk die Notwendigkeit immer bejaht wird, dann wäre es eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, die Kostenerstattung bei einem Anwalt außerhalb des Gerichtbezirks völlig auszuschließen.
Vielmehr erklärt der BGH dessen Reisekosten in der Höhe für erstattungsfähig, in der sie bei einem im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt erstattungsfähig gewesen wären.
Höchstmögliche Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks
Für die Kostenerstattung ist zunächst einmal zu ermitteln, welche tatsächlichen Reisekosten angefallen sind. Diese Kosten sind dann zu erstatten bis zu den Kosten der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks:
- Finden sich im Gerichtbezirk Orte, die weiter entfernt sind als der Sitz des auswärtigen Anwalts, dann sind dessen Reisekosten in voller Höhe erstattungsfähig.
- Ergibt sich im Gerichtsbezirk nur eine geringere Maximalentfernung, so sind die Kosten des auswärtigen Anwalts bis zur Höhe dieser Kosten erstattungsfähig.
Umsatzsteuer
Auf sämtliche Reisekosten ist vom Anwalt Umsatzsteuer abzuführen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), es sei denn, die Tätigkeit des Anwalts ist ausnahmsweise umsatzsteuerfrei, etwa wegen Auslandbezugs. Dabei ist unerheblich, ob die vom Anwalt aufgewandten Reisekosten ihrerseits mit Umsatzsteuer erhoben worden sind. Daher sind auch auf Reisekosten 19 % Umsatzsteuer zu erheben, wenn darin selbst keine Umsatzsteuer enthalten ist (z. B. bei umsatzsteuerfreien Parkgebühren) oder nur ein geringerer Umsatzsteuersatz (z. B. 7 % bei Taxikosten) erhoben wurde. Soweit der Anwalt Umsatzsteuer abführen muss, kann er diese gem. Nr. 7008 VV RVG seinem Auftraggeber in Rechnung stellen.
Erstattung durch Prozess- und Verfahrenskostenhilfe
Wird ein Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet, dann hat die Landeskasse Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks zu übernehmen (OLG Celle, Beschl. v. 7.6.2016 – 2 W 108/16, AGS 2016, 437).